Erdfrequenz

Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

#1: Forschung im Anthropozän – mit Klement Tockner

09.09.2021 55 min

Zusammenfassung & Show Notes

Wir Menschen haben uns die Erde zunutze gemacht und sie ins „Anthropozän“, ins Zeitalter des Menschen überführt. Doch das bedeutet für unseren Planeten momentan wenig Gutes: Der Klimawandel macht sich immer mehr bemerkbar, die Artenvielfalt ist zunehmend bedroht. Wie sich diese Phänomene zeigen und welche erschreckenden Konsequenzen sie in Zukunft haben könnten, darüber sprechen wir in der ersten Folge des neuen Senckenberg-Podcasts „Erdfrequenz“ mit Prof. Dr. Klement Tockner, Gewässerökologe und seit diesem Jahr Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung. Er berichtet von prägenden Momenten seiner langen Forscherkarriere, erklärt, warum die Artenvielfalt für unsere Erde und unser eigenes Überleben essenziell ist, und gibt Tipps für die Gartenbesitzer*innen unter uns, die ihren eigenen kleinen Beitrag für das Klima und die Biodiversität leisten wollen.

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Transkript

Der Mensch, wir Menschen, wir verändern unseren Planeten großflächig, tiefgreifend und langfristig. Herzlich willkommen zu Erdfrequenz, dem neuen Podcast der Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung. Mein Name ist Gregor Maria Schubert und ich führe sie ab sofort durch diese Reihe. Die allererste Folge trägt den Titel Forschung im Anthropozehen und ich freue mich auf unseren heutigen Gast, Professor Dr. Klement Tockner. Er ist seit Anfang des Jahres Generaldirektor der Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung. Herzlich willkommen, Herr Tockner. Ganz vielen Dank. die Einladung. ist die Gewässerforschung, man könnte sagen Flüsse und Gewässer haben es ihnen besonders angetan. Gibt es in ihrem Lebenslauf einen persönlichen Moment, der sie besonders geprägt hat? Es gibt natürlich mehrere prägende Momente. Das eine ist sicher auch die Kindheit. Ich meine, wir waren auf einem Bergbauernhof, wir waren neun Kinder in einem der isoliertesten oder entlegensten Gebiete in Österreich. Und wenn man dort draußen war und man ist zum Beispiel am Abend rausgegangen, dann hat man nach die Milchstraße gesehen. Das war schon etwas prägendes. Während meiner Studienzeit war es ganz sicher am Beginn diese Besetzung der Heimburger Aue. Man wollte eben östlich von Wien eben ein großes Donaukraftwerk bauen. Das war der letzte frei fließende Flussabschnitt entlang der Donau, entlang der oberen Donau. Und da hat eine Protestbewegung begonnen, um eben diesen Verlust der letzten Au-Landschaft hier zu verhindern. Und das war im Winter. Wir haben dort campiert unten, wir haben das Gebiet besetzt. Wir waren tausende Leute vor Ort. Wir haben gefroren dort, wir haben die Staatsmacht gespürt. Wir sind da, wir haben uns in Bäume gekettet. Und das hat sich die Stimmung geändert dann. Auf einmal hat man eben auch die Wahrnehmung dieses Gebietes, wurde dann auch in der Öffentlichkeit anders. Man hat das zuerst als Dickicht einfach bezeichnet. Und auf einmal wurde das das wertvolle Ökosystem wahrgenommen. Und jetzt ist es ein Nationalpark und das ist einer der schönen, großartigen Nationalparks, die wir in Mitteleuropa haben. Ausschlaggebend war der Mut von einigen Menschen, die sich hier einfach an die Spitze gestellt haben und in die Öffentlichkeit gegangen sind. Also diese Besetzung der Heimburger Aue war für mich zweifellos eine prägende Erfahrung sowohl für den wissenschaftlichen Weg, aber natürlich auch, dass man sich engagieren kann und engagieren muss und dass man etwas erreichen kann. In ihrem Lebenslauf finden sich viele Stationen, sie sind oft verreist und haben auch oft den Wohnort gewechselt. Einer ihrer ganz wichtigen Stationen war aber die Zeit in Rwanda und in Uganda, die besonders auf ihre berufliche Entwicklung abgefärbt hat. Was hat Ihre Zeit in Afrika besonders geprägt? ich kann mich noch erinnern an den Anruf des Betreuers meiner Dissertation, der hat mich angerufen und er gesagt, möchtest du nicht nach Afrika gehen. Ich habe keine Sekunde gezögert und habe sofort ja gesagt, ohne zu wissen, was es genau sein wird. Und dann hat sie eben diese Möglichkeit gegeben, eben nach Ruanda zu gehen, einen großen Verbundprojekt mitzuarbeiten, wo es darum gegangen ist, ein Gesamtwasserkonzept für Ruanda zu erarbeiten. Nach meiner letzten Prüfung für die Dissertation bin ich am Abend dann im Flugzeug gesessen und bin nach Ruanda geflogen. Ich glaube, das Faszinierende war, einen völlig anderen Blick auf die Welt zu bekommen, einerseits Gewässer zu erforschen, die wir in Europa nicht kennen, einfach vom Typus her. Das zweite wesentliche Erfahrung war natürlich, in welcher privilegierten Situation und in welchen privilegierten Ländern wir leben. Man wird auch natürlich so wahrgenommen, man ist immer ein Weiser, man kann nie ein Afrikaner werden in dem Sinn, sondern man wird immer in sogenannte Musungu bleiben. Das dritte war, dass ein viel stärkeres Verständnis für Leben war, also das Verhältnis oder der Unterschied zwischen Tod und Leben war viel enger. Der Tod war allgegenwärtig im Prinzip aus mehreren Gründen. Erstens hat es jetzt gegeben, also man ist durch Dörfer gefahren, da hat es nur junge, Kinder gegeben und alte Menschen. Und dann natürlich auch die politische Situation der Bürgerkrieg, der unter Schwelen die Bürgerkrieg, den schon gegeben hat und dann der Ausbruch natürlich des Genozids. Man hat gemerkt, dass die politische Situation immer unruhiger wird, bis eben dann war Ausgangssperre, man konnte am Abend nicht mehr raus, man hat immer wieder Schießereien gehört, also man ist aufgewacht in der Nacht und hat Schießen gehört, das Weiser war man relativ sicher. Ich hätte und viele hätten nicht gedacht, dass es zum Genozid kommt, weil es waren immerhin mehrere Tausend UN-Soldaten stationiert dort und persönlich habe ich ja mit drei Rohren diesen sechs Monate zusammengearbeitet, die waren sowohl Tutsi als auch Hutu und sie haben gesagt, in ihrem Dorf wird es nie vorkommen, dass sie sich umbringen. Und trotzdem sind zwei davon auch dann umgebracht worden, aber das ist dann von außen reingetragen worden einfach. Also man sieht einfach, wie man Hass schüren kann und ich bin ja nach dem Genozid war ich gleich wenige Monate später in Kigali noch einmal und man kommt in eine Stadt, wo im Prinzip man merkt, dass fast 100 Prozent der Bevölkerung ausgetauscht worden. Auch die Sprache hat sich geändert, das war dann hauptsächlich englischsprachig, vorher war es französischsprachig und unser Haus hat einen Granatentreffer auch abbekommen, genau in unserem Schlafzimmer war sozusagen, hat eine Granate eingeschlagen. Aber ich hatte natürlich das Privileg, wenige Wochen vor dem Ausbruch eben ausreißen zu können. Kolleginnen und Kollegen, die waren dort am Beginn, die sind dann evakuiert worden über Burundi, über Buschumbura und die haben natürlich auch gesehen die Warnzeugen im Prinzip, die haben gesehen, wie die Leute einfach umgebracht worden sind. Nach dieser schrecklichen Erfahrung war es wahrscheinlich nicht ganz einfach wieder nach Europa zurückzukommen und das alles zu verarbeiten. Wie ging es weiter, nachdem sie aus Afrika zugereist sind? Es war nicht klar, ob ich in der Wissenschaft bleibe oder nicht. Ich habe ja auch dann in verschiedenen angewandten Projekten gearbeitet. Ich hatte dann die unglaubliche Chance, in die Schweiz zu gehen und an die ETH Zürich. Ich kann mich noch erinnern, ich hätte mich gar nicht beworben, wenn nicht ein Bekannter gesagt hat, bewirb dich. Ich bin dann eingeladen worden und habe eine Position bekommen als Oberassistent an der ETH Zürich, die in dem Sinn einfach faszinierend war. Man weiß, man kriegt manche Chancen nur einmal. Und ich kann mich erinnern, also ich habe das im Nachgang gehört, das war ein Amerikaner, der mich eingestellt hat. Der hat damals nach dem Interviews in den Kollegen in den USA angerufen und hat gesagt, da ist jemand, der ist unglaublich begeisterungsfähig. Und er hat ganz viele Ideen, aber er hat wenig vorzuweisen. Und er hat ihm geraten, hire him, you can fire him again in a year. Also stelle nein, du kannst nie in einem Jahr wieder entlassen. Und das war mal bewusst. Also das ist sozusagen, ich glaube, das ist wesentlich, dass es eben keine linearen Karrierewege gibt. Sondern man steht immer wieder an einer Kreuzung und man kann auf den Scheiden geht man weiter, geht man noch rechts oder noch links. Aber man muss gehen und man muss offen sein für diese Möglichkeiten, die es gibt. Und eben, es gibt Chancen, nur einmal nutze und es liegt an dir, das zu machen. Das war die große Chance, eben, ich würde sagen, das war die prägende Chance in die Schweiz und die ETH an einer der besten Universitäten weltweit zu gehen. Da war ich elf Jahre lang, nach diesen elf Jahren bin ich dann noch Berlin gegangen und wurde direkter des Leibniz Instituts für Gewässer, Ökologie und Binnenfischerei, einer Schwesterorganisation von Senckenberg. Und nach neun Jahren bin ich dann noch Wien gegangen, wurde Präsident des österreichischen Wissenschafts von FF, einer Schwesterorganisation der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Und auch das war eine prägende Periode, nämlich Wissenschaft von einem völlig anderen Gesichtspunkt einfach zu betrachten, nämlich aus Förderungsorganisationen. Und dann war ich viel stärker in die Wissenschaftspolitik involviert. Und ich glaube, diese Erfahrungen, sowohl von der ETH an einer der besten Universitäten arbeiten zu können, ein Institut in Berlin zu leiten, dann in der Wissenschaftspolitik drinnen zu sein, in Afrika gearbeitet zu haben, diese Erfahrungen jetzt zusammenzuführen. Das waren alles privilegierte Positionen, muss man einfach dazusagen auch, und jede diese Positionen, ganz besonders auch die jetzige hier in Senckenberg, ist eine geliehene Position. Damit geht man mit einer ganz großen Einsatz, mit einer ganz großen Verantwortung, mit dieser Position. Nun sind Sie Direktor der Senckenberg-Gesellschaft. Die Öffentlichkeit denkt jetzt vor allem an das Senckenberg -Museum, Publikumsmagnet und Liebling aller Kinder. Aber das ist natürlich längst nicht alles. Vielleicht geben Sie uns einen kurzen Überblick, was sich unter dem Dach der Senckenberg-Gesellschaft alles verbirgt. Die Senckenberg-Gesellschaft ist schon eine einzigartige Einrichtung. Sieben Institute, elf Standorte in sieben Bundesländern. Sie sind ja nicht nur in Frankfurt, sondern wir sind genauso in Wilhelmshaven, in Görlitz, in Dresden, in Tübingen, beheimatet. Wir betreiben drei Museen in Frankfurt, in Dresden und in Görlitz. Es sind Forschungsmuseen. Das heißt, es sind keine Schaumuseen, sondern es sind Forschungsmuseen. Die Ergebnisse, die wir präsentieren in unseren Museen, sind Forschungsergebnisse, die aus dem Haus herausgeneriert werden. Das ist authentische Forschung. Kuratiertes Wissen, das wir präsentieren. Und das hat auch eine große Bedeutung, dass die Menschen, die hier in das Museum kommen, großes Vertrauen haben in das, was wir präsentieren. Weil es eben ein authentisches, weil es kuratiertes Wissen ist. Aber wir sind nicht nur ein Forschungsmuseum, sondern wir haben auch Forschungsinstitute, die keine Museen betreiben. In Tübingen beschäftigen wir uns mit der Menschheitsgeschichte. Wir haben hier in Frankfurt ein Institut, das sich mit Biodiversität und Klima und die Interaktion zwischen Biodiversität und Klima beschäftigt. Oder wir haben in Wilhelmshaven, Senckenberg er Meer ein Meeresforschungsinstitut. Aber alle diese Institute haben eines gemeinsam. Wir beschäftigen uns mit der Natur, wir erforschen die Natur und wir erforschen die Wechselwirkung zwischen uns Menschen und der Natur. Welche Auswirkungen haben wir als Menschen auf die Natur und wie beeinflusst die Natur uns als Menschen? Aber wir haben pro Jahr auch mehr als eine Million Besucherinnen und Besucher, 450.000, die direkt in die Museen kommen. 100.000, die unsere Wanderausstellungen besuchen. Und dann sind knapp 600.000, die virtuell unsere Museen besuchen. Also die Museen sind schon Orte des Dialogs mit der Gesellschaft. Und das macht uns einzigartig auch aus Senckenberg. Und das Dritte ist, wir sind eine Bürgergesellschaft, sie gegründet worden durch Frankfurt der Bürger, vor mehr als 200 Jahren. Wir haben über 7.000 Mitglieder, aktive Mitglieder und das ist auch einzigartig das Engagement der Menschen draußen hier für Senckenberg und in Senckenberg. Im Zusammenhang mit Ihrer Arbeit fällt immer wieder das Wort Anthropozän, die meisten unserer Zuhörerinnen und Zuhörer werden das Wort mit Sicherheit schon mal gehört haben, aber nicht jeder weiß für was das Wort eigentlich genau steht. Vielleicht können Sie uns an dieser Stelle nochmal kurz erklären. Das Anthropozän ist vereinfacht, das Zeitalter des Menschen und das bedeutet, dass der Mensch zu einer prägenten, gestaltenden Rolle geworden ist, nicht nur für die Biosphäre, sondern eben auch für die Geosphäre, er verändert der Mensch, wir Menschen, wir verändern unseren Planeten großflächig, tiefgreifend und langfristig. Und vielleicht hier ein paar Beispiele zu nennen. Also wir verändern die Abflussverhältnisse unserer Flüsse, jetzt komme ich auf die Flüsse zurück. Wir verändern den Sedimenttransport über die Flüsse in die Meere hinaus, weil wir Tausende, hunderttausende an Stauseen gebaut haben, die das Wasser und das Sediment, also Schotter und Sand, zurückhalten. Und das hat massive Konsequenzen nicht nur für die Flüsse, sondern auch für die gesamten Delta-Regionen und Küstengebiete. Wenn die kein Sediment mehr geliefert bekommen, beginnen sie zu erodieren und werden kleiner und kleiner. Gleichzeitig heizen wir die Atmosphäre an. Mit der Anheizen der Atmosphäre steigt der Meerespiegel. Mit dem Anstieg des Meerespiegels versalzen die Küstengebiete auch. Und so wirken verschiedene Faktoren, Einflussfaktoren eben global zusammen und führen zu einer Erosion unserer eigenen Lebensgrundlage. Und das ist ja eigentlich das Erstaunliche daran, dass wir die Erde so verändern und gleichzeitig unsere Lebensgrundlage dadurch verschwenden für die nächsten Generationen im Wesentlichen. Ich habe einmal in einem Interview gesagt, also wir führen Krieg gegen die Zukunft. Und dass es ein unfairer Krieg ist, weil eben die Zukunft sich ja nicht wehren kann. Das heißt, wir verändern etwas. Wir leben auf Kosten und zu Lasten unserer nächsten Generationen, unserer Kinder und Enkelkinder. Und das ist unverantwortlich. Das muss man dazusagen. Das heißt, das Anthropozen ist das Zeithalte des Menschen. Wir verändern großflächig, tiefgreifend, langfristig, großteils irreversibel, unumkehrbar unseren Planeten und somit unsere eigene Lebensgrundlage für die Zukunft. Man könnte es auch positiv formulieren. Wir sind zur gestaltenden Kraft geworden. Das heißt, wir können gestalten. Wir müssen sogar gestalten. Aber es ist die Frage, wofür wir gestalten. Und wir müssen eine gemeinsame Vision entwickeln. Nicht nur wir als Wissenschaftler, sondern gemeinsam mit den Zukunften, Generationen, mit der Gesellschaft, mit der Politik. Wie wollen wir leben? Wie wollen wir in 200 Jahren leben? Wir können da keine Prognosen machen, aber wir können Szenarien bilden und können sagen, das wäre ein Ziel, wie wir leben wollen auch. Und ich glaube, diese Verantwortung, die müssen wir wahrnehmen. Wir können nicht nur sagen, wir sind gestaltende Kraft, sondern dadurch, dass wir die gestaltende Kraft sind, sind wir unglaublich verantwortlich für unser Handeln, dass wir machen für uns Menschen und für die Natur. Nun ist ja die Aufgabe der Wissenschaft nicht nur zu beobachten, sondern ihre Gegenstände auch quantitativ zu erfassen, sozusagen Fakten zu schaffen und diese dann zu kommunizieren. Wie ist der Einfluss des Menschen auf die Natur messbar? Wir als Senckenberg, wir erforschen die biologische Vielfalt. Die biologische Vielfalt ist die Vielfalt des Lebens weit über die Menschen hinaus. Wir haben zehn Millionen Arten in etwa. Diese zehn Millionen Arten sind das Produkt von mehreren Milliarden Jahren natürlicher Evolution. Da ist das Wissen und die Information gespeichert von einer natürlichen Evolution, die sich zurückgeht auf dreieinhalb Milliarden Jahren. Wenn Sie fragen, wie kann man den Einfluss des Menschen messen? Ein einfacher Gradmesser ist eben, wie hoch ist der Anteil der Arten, der gefährdet oder vom Aussterben bedroht ist? Und das sind im Moment knapp eine Million Arten. Eine Million Arten. Und damit verlieren wir eigentlich das globale Wissen, das so notwendig ist, nicht nur für die Natur, sondern im Endeffekt für unser langfristiges Überleben. Wo wir uns schwer tun als Menschen ist, längerfristig zu denken und zu handeln. Was sind die Zeitspannen, die wir berücksichtigen müssen, wenn wir jetzt handeln? Ist das die nächsten 20 Jahre oder sind das die kommenden 200 Jahre? Wenn man Charles Hawkins einfach zitiert, der hat gesagt, wir müssen, wenn wir so weitergehen, müssen wir in mehreren 100 Jahren unsere Erde verlassen. Aber um einen anderen Planeten bewohnbar zu machen, benötigt es mindestens 1.000 Jahre, um das zu schaffen. Das heißt, was wir im Moment machen eigentlich, ist das, was man terraforming bezeichnet. Terraforming heißt normalerweise, einen unbewohnbaren Planeten bewohnbar zu machen. Und wir machen genau das umgekehrt, einen bewohnten Planeten unbewohnbar zu machen. Und wir tun uns schwer, einerseits über diese Zeitspannen eine Vorstellung zu bekommen, für die wir verantwortlich sind, andererseits ist es auch wahnsinnig schwierig, sich vorzustellen, was bedeutet plus 2 Grad, was bedeutet minus 1 Million Arten, was bedeutet das Wegschmelzen der Gletscher. Und vielleicht müssen wir hier Acht geben, dass nicht ein gewisse auch ein Fatalismus entsteht. Die Leute sagen, ja, wir können eh nichts machen. Das tragischste ist, wenn wir in eine Situation hineinkommen, wo wir eigentlich resignieren. Und wir müssen hier eine, erstens, wir müssen gestalten, das ist unsere verdammte Aufgabe hier, diese Verantwortung im Anthropozän als Menschen wahrzunehmen auch. Wir müssen uns Bilder, wir müssen Visionen entwickeln, wir müssen gemeinsam ziehen. Und gemeinsam ziehen heißt nicht nur die Menschen, sondern auch die Wissenschaft, muss mitziehen gemeinsam mit der Gesellschaft. Was entgegnen Sie jemandem, der auf Ihre Problembeschreibung, dass wir in den nächsten Jahrzehnten eine Million Arten verlieren, zynisch antwortet, gibt ja noch genug andere. Oder jemand, der beim Schmelzen der Gletscher darauf verweist, dass es ja nur eine Frage der Neuverteilung ist, weil ohnehin ja immer gleich viel Wasser auf der Erde bleibt. Sich also nur der Zustand ändert. Wir können ja aus der Geschichte lernen. Es hat ja schon mehrere Aussterbe, große Fin-Manie oder Ereignisse gegeben. Bis zu 90 Prozent der Arten sind verschwunden. Noch 10, 20, 30 Millionen Jahren waren fast wieder so viele Arten wie vorher vorhanden. Teilweise sogar mehr. Aber eines war auch klar, die dominanten Arten sind immer verschwunden. Und das ist, glaube ich, nicht besonders beruhigend dafür auch. Also vielleicht muss man sich über die Erde gar nicht so viel Gedanken machen, dass wahrscheinlich die Resilienz der Erde relativ hoch ist. Der große Unterschied ist, dass diese jetzige Aussterbephase läuft um ein vielfaches Schneller als alle vorhergehenden Aussterbeereignisse. Und das ist eine Art, die verantwortlich ist, dass wir soweit gelangen auch. Also ich mache mir in dem Sinn weniger um die Erde sorgen langfristig, wenn wir einen Millionenjahr hernehmen würden. Wahrscheinlich gibt es die Erde in 10 Millionen Jahren in einer anderen Vielfalt. Aber wir werden nicht mehr dabei sein. Und ich glaube nicht, dass das das Ziel sein kann, dass wir verfolgen sollten. Kommen wir nochmal auf Ihr Institut, aber auch auf die Wissenschaft im Allgemeinen zu sprechen, die ja stets im Wandel begriffen ist. Wie hat sich Ihr Denken bezogen auf den Begriff der Vielfalt in den vergangenen Jahren verändert und welche Maßnahmen kann man überhaupt ergreifen, um die Artenvielfalt zu bewahren? Dass wir keinen Lachs mehr haben oder keinen Stör mehr haben in den deutschen Flüssen, hat wahrscheinlich keine massiven Auswirkungen. Diese Arten, ich nehme den europäischen Stör, das war einer der häufigsten Arten in Europa. Diese Arten hat 200 Millionen Jahre überlebt. Alle heißen und kaltseiten. Und das hat wenige Jahrzehnte gedauert, um sie zum Vollständigen verschwinden zu bringen. Das heißt, es gibt hier auch eine ethische Verantwortung, die wir haben für den Planeten, auf dem wir leben. Das Zweite ist, die Vielfalt ist eine Versicherung für uns. Je vielfältiger ein Ökosystem ist, je vielfältiger eine Stadt ist, desto resilienter ist sie und desto anpassungsfähiger ist sie gegenüber zukünftigen Veränderungen. Das Dritte ist und das ist wahrscheinlich das Bedrohlichste und warum der Verlust der Artenvielfalt eine so große Herausforderung ist und wahrscheinlich die größte Herausforderung ist, vor der wir stehen. Wir wissen nicht, was es bedeutet, wenn 10, 20%, 50% dieser Arten verschwinden für die Natur und für uns Menschen, für unser langfristiges Überleben. Und wir können, wenn wir nicht wissen, welche Auswirkungen das hat, und zwar dieses Gefüge, dieses Zusammenwirken aller dieser Arten, die eben sich über viele hunderte Millionen Jahre sich entwickelt haben. Und wenn wir dieses Gefüge durcheinander bringen, dann kommt es zu unkontrollierbaren Veränderungen, wie wir ja sie im Klima-Bereich eben sehen, wobei das Klima noch ein relativ einfacher Bereich ist, weil hier gare physikalische Gesetze wirken. Im biologischen Bereich ist es viel komplexer und wir verstehen diese Auswirkungen nicht im vollen Umfang. Natürlich gibt es viele Beispiele. Das gute Beispiel mit den Bienen kennt jeder, wie wichtig das sind für die Bestäubung. Und wenn die Wildbienen verschwinden, dass das unglaublichen auch ökonomischen Schaden noch nach sich zieht. Aber in vielen Bereichen kennen wir das nicht. Und das gilt nicht nur für die biologische Vielfalt, dass wir viel stärker in Prävention hineingehen und nicht in Heilung. Das kann man ja auch aus der jetzigen Pandemie lernen. Das Impfen ist eine groß technokratische Lösung für ein Problem. Aber es löst das Problem nicht. Das heißt, das ist unglaublich teuer. Es löst ja nicht oder verhindert ja nicht das zukünftige Pandemieenausbrechen. Und wir brauchen eben einen systemischen Herangehensweise, um eben zu verhindern, dass diese Katastrophen überhaupt eintreten können noch, aber in Prävention zu investieren, in Vorsorge hineinzugehen und nicht nur in Heilung zu investieren. Das wäre ein ganz, ganz wesentlicher Aspekt. In der jetzigen Pandemie sehen wir auch, wie eng die Gesundheit des Menschen mit der Gesundheit der Natur verbunden ist. Wir wissen, dass der Rückgang dieser biologischen Vielfalt, die Zerstörung von Lebensräumen, die Ausbreitung von Pandemien deutlich befördert. Das heißt, hier gibt es einen ganz engen Connect zwischen der Intaktheit der Natur und der Gesundheit des Menschen. Man könnte sogar einen Schritt weitergehen, und da sind Forschungen auch aus Senckenberge heraus, wo man sieht, dass Wohl befinden. Man würde sagen, die mentale Gesundheit, sehr eng verbunden ist mit der Vielfalt der Natur. Eine Zunahme der Vielfalt an Vögel zum Beispiel bewirkt die gleiche Zunahme an Wohlbefinden, wie die Zunahme eines persönlichen Gehaltes. Da sieht man, wie wichtig für uns Natur, Naturwahrnehmung und diese Vielfalt der Natur ist, für unser eigenes Wohlbefinden. Wenn wir Gesundheit betrachten, sind es immer die drei Komponenten natürlich, die physische Integrität, die soziale Gesundheit und die mentale Gesundheit. Bleiben wir vielleicht noch einen Moment bei der Wissenschaft, wie sieht die Zukunft der Forschung aus? Ich komme noch einmal auf die jetzige Situation der Pandemie zurück, was wir jetzt wirklich lernen ist, was wirklich zählt und die Wissenschaft gehört dazu. Ohne Wissen, ohne klare Fakten könnten wir nicht mit dieser Situation und mit dieser Krise umgehen, in dieser Form, wie wir sie bewältigen können. Natürlich gilt das auch für einen Impfstoff. Ohne Grundlagenforschung in den letzten 20, 30 Jahren wären wir nicht in der Lage gewesen, innerhalb von einem Jahr einen Impfstoff zu entwickeln. Die jetzige Krise zeigt auch, dass Wissenschaft in Zukunft anders erfolgen wird. Wir werden noch viel stärker in globalen, dynamischen Netzwerken zusammenarbeiten müssen. Die Forschung und die Wissenschaft wird viel stärker noch Daten getrieben sein. Und wir werden Forschung in Echtzeit betreiben. Wir können im Prinzip verfolgen, das sehen wir jetzt auch. Wir können im Prinzip in quasi Echtzeit verfolgen, wie sich das Virus ausbreitet. Und das ist etwas, das hat einen großen Vorteil, wenn wir in Echtzeit forschen können im Prinzip, weil wir hier dann auch in der Ökologie Frühwarnsysteme haben und wir können möglicherweise schneller gegensteuern, weil wir erkennen, wann zum Beispiel ein System zu einem Kipppunkt kommt und Entwicklungen eintritt, die man nicht haben möchte. Oder wenn invasive Arten sich beginnen, auszubreiten, dass man früh genug gegenwirken können. Also das ist ein großer Vorteil und da wird eine Revolution stattfinden, in der Form, wie wir Wissenschaft betreiben. Denn die Herausforderung ist, wie setze ich Daten in Informationen, Informationen in Wissen und Wissen dann in konkrete Handlungslösungen um? Und gerade in diesen Genius-Situationen zwischen Wissen und Handlungen, da mangelt es. Da haben wir ein Problem und da müssen wir hineinkommen und wir brauchen da auch eine neue sogenannte Wissensökonomie, wo wir verschiedene Formen des Wissens zusammenbringen. Systemwissen, Orientierungswissen, Transformationswissen, Handlungswissen. Wissen, das die Wissenschaft generiert, aber auch Wissen, das die Gesellschaft besetzt. Und das bezeichnen wir als transdisziplinäre Forschung. Näm verschiedene Formen des Wissens zusammenzubringen und zwar vom Beginn an. Nicht nur das Wissen zusammenzubringen, sondern auch das formulierende Fragen. Was wollen wir? Da komme ich auf den Beginn zurück auch, dass wir gemeinsam Visionen entwickeln müssen. Wie wollen wir in 50 Jahren, wie wollen wir in 200 Jahren leben und dafür in die Verantwortung dafür auch zu übernehmen. Sie selbst haben einmal gesagt, Mut tut gut, besteht bei so viel Echtzeitwissen im Falle der Pandemie nicht, aber auch die Gefahr, die Gesellschaft in einen Angstzustand zu versetzen. Mit Rainer Werner Fassbinder gesprochen, Angst essen Seele auf. Wie verhalten Sie sich zwischen den Polen von Angst und Zuversicht? Die Angst ist sicher ein schlechter Ratgeber, da müssen wir auch achten, als Wissenschaft wir sind sicher sehr gut Probleme zu skizzieren, aber wir tun dann schwer Lösungen zu entwickeln. Und wir müssen natürlich auch, wenn ich das sage, Mut tut gut, heißt aber auch, dass wir als Wissenschaft unbequem sein müssen. Wir sind unabhängig. Wir müssen unabhängig sein. Wir sind das, was man als honest broker bezeichnet. Es ist ein Wissen, dass keine, keinen ideologischen oder politischen Vorgaben folgt. Das ist natürlich nicht ganz frei, das muss man auch dazu sagen, man lebt natürlich in diesem System drinnen. Aber diese Rolle, die die Wissenschaft hat, als honest broker, als unabhängige Kraft, die müssen wir erhalten. Die Wissenschaft, die unabhängige Wissenschaft ist einer der Grundpfeiler einer aufgeklärten Demokratie. So wie eine Pressefreiheit, wie eine Meinungsfreiheit, wie eine Religionsfreiheit ist eben eine unabhängige Wissenschaft, eine ganz zentrale Säule. Wir sehen ja das noch mal die jetzige Pandemie zu strapazieren. Überall dort, wo man nicht auf die Wissenschaft gehört hat, hat man eben Situationen wie in Brasilien oder in den USA bekommen. Das sieht man, wie viel Leben das kostet, wenn man nicht auf dem best verfügbaren Wissen Entscheidungen trifft. Die beiden ganz großen Probleme unserer Zeit sind der Klimawandel und der Verlust der Biodiversität. Die Fakten sind geschaffen, das Wissen darüber ist vorhanden. Trotzdem klafft noch eine riesige Lücke zwischen dem Wissen und dem Handeln. Wie könnte man diese schließen? Das erste ist, und das ist, glaube ich, wichtig, dass der Klimawandel und die Erderwärmung nicht getrennt vom Biodiversitätsverlust betrachtet wird. Die hängen eng zusammen. Ich nehme ein Beispiel aus der Pfadder von der Gewässerseite her, weil die Gewässer sind möglicherweise die größten Verlierer des Pariser Abkommens. Wir sehen einen Boom im Ausbau vom Wasserkraft, weil Wasserkraft ist eine erneuerbare Energiequelle, und der erneuerbare Energiequelle wird gleichgesetzt mit klimaneutral und umweltfreundlich, was nicht der Fall ist. Das heißt, hier versucht man, Klimawandel durch erneuerbare Energie einzudämmen, aber zerstört gleichzeitig dadurch eine der wertvollsten Ökosysteme, die wir haben, und das sind eben Flusslandschaften. Das Zweite ist, ich gebe Ihnen absolut recht, wir sehen den Rückgang, ich nehme jetzt nochmal biologische Vielfalt her, das kann man auch für den Anstieg der Temperatur hernehmen, wir sehen den ungebremsten Rückgang der biologischen Vielfalt. Alle zehn Jahre werden große politische Ziele formuliert, sie bewirken nichts, der Rückgang geht ungebremst weiter, wir haben gleichzeitig einen exponentiellen Anstieg an Daten und Informationen, setzt sich nicht um in einem Stopp des Rückgangs der biologischen Vielfalt. Und da ist eine der zentralen Fragen, warum, dass sowohl der Zuwachs an Daten und Informationen und diese Sätzen von großen politischen Zielen nichts bewirken, hängt möglicherweise damit zusammen, einerseits, dass wir zu wenig mutig sind, eine Vision zu übersetzen und ein Ziel vorzugeben, das ist relativ einfach, zu sagen, ich zwei Grad, aber die Konsequenzen dann zu tragen und das auch wirklich rigoros umzusetzen. Dazu fehlt uns der Mut und einfach auch der Wille, weil wir uns eben nicht vorstellen können, was das bedeutet. Und Sibirien, die denken vielleicht plus zwei Grad ist gar nicht so schlecht, das hätte ich gerne, also es gibt auch verschiedene Visionen natürlich auch, was man unter plus zwei Grad sieht. Das zweite ist, dass man nicht verwechseln darf, Informationen mit Wissen und Wissen mit Handeln. Es ist wirklich, es ist diese Scharnierfunktion zwischen der Wissenschaft und der Gesellschaft, die nicht in dieser Form funktioniert. Und das ist eine Bringe und eine Holschuld im Prinzip auch wir als Wissenschaft. Wir müssen eben auch ins hinaus wagen und müssen sagen, wir wollen unbequem sein, wir wollen mutig sein, wir wollen uns äußern draußen und die Politik darf oder muss auf Basis des best verfügbaren Wissens handeln. Die Politik ist verpflichtet, wir können Entscheidungen, die nicht auf Basis des best verfügbaren Wissens passieren, können immense Konsequenzen haben für die kommenden Generationen. Das Wissenschaft müssen wir unsere Anreiz und die Belohnungssysteme auch ändern. Die Belohnung und Anreizsysteme im Wissenschaftssystem motivieren nicht unbedingt zum gesellschaftlichen Engagement oder zum Mut, weil das nicht belohnt wird auch. Politisch kann man Hebel setzen und einer der einfachsten oder der größten Hebel ist einfach, dass man die Subventionspolitik ändert. Man muss sich vorstellen, in Deutschland werden pro Jahr und das sind Daten vom Umweltbundesamt 57 Milliarden Euro investiert in umweltschädliche Maßnahmen. Im Energiesektor, im Bausektor, im Landwirtschaftsbereich. Und allein das zu ändern und das umzupolen, können dir eine unglaubliche Konsequenz haben. Jetzt komme ich nochmal auf die jetzige Pandemie zurück, auch wir sehen, was wir bereit sind zu investieren, wenn es wirklich darauf ankommt. Und die Herausforderungen, vor denen wir stehen, was den Rückkehr der biologischen Vielfalt oder den Klimawandel betrifft, die sind meine Dimension größer als die, die wir jetzt durch die Pandemie haben. Wir haben über Ihr Institut gesprochen. Wir haben darüber gesprochen, wie wichtig es ist, Netzwerke zu bilden. Ein Schlüsselbegriff bei Ihnen und Ihrer Auffassung, wie Sie dieses Institut jetzt leiten möchten, ist Partizipation, die Teilhabe der Bevölkerung. Wie hat man sich das vorzustellen? Ich meine, wir haben ganz viele sogenannte Citizen-Science-Projekte, Bürgerbeteiligte-Wissenschaften. Im Moment haben wir 25 solcher Projekte. Da geht es um das Erfassen von Bienen oder Schmetterlingen in der Natur draußen. Da sind mehrere Tausend ehrenamtliche Bürger, die sich hier beteiligen, um Wissen zu generieren auch. Wir müssen aber schauen, dass wir diese Leute eben vom Beginn, dass die nicht nur Daten liefern, sondern dass wir diese Menschen vom Beginn einfach auch einbinden, in die Formulierung der Fragen auch. Und da haben wir diesen großen Vorteil, dass wir den anderen Zugang zur Bevölkerung schaffen durch unsere Museen. Die Museen öffnen unsere Forschungseinrichtungen gegenüber der Gesellschaft. Das ist ein großer Wert. Es ist uns aber auch bewusst, dass wir nur einen Teil der Bevölkerung erreichen. Wir wollen auch hier viel mehr auch Menschen aus verschiedensten kulturellen Hintergründen begeistern für die Forschung, begeistern für die Natur. Es geht darum, Neugierde zu wecken, es geht darum, die Menschen aufmerksam zu machen, einzubeziehen. Und das geht durch dieses gemeinsame Erfahren und durch dieses Erleben auch. Also Partizipation heißt im Prinzip eine Öffnung gegenüber der Gesellschaft. Und das ist ein Dialog und ein Dialog ist immer in beide Richtungen. Und das ist auch eine Änderung, die stattfindet, dass es nicht um Wissenschaftskommunikation geht, die Wissenschaft erhebt Daten und Wissen und vermittelt die dann gegenüber der Bevölkerung, sondern die Wissenschaft hört auch zu. Also das ist wichtig. Wir vermitteln und wir hören zu. Das ist das Dialogische an dem, wo wir hinkommen wollen. Aber dazu müssen wir begeistern, dazu müssen wir Neugierig machen. Da ist das Naturkundemuseum besser geeignet, weil es schon die Barrieren niedriger sind, um in den Naturkundemuseum zu gehen. Und ich treffe ganz, ganz viele Menschen, die sich jetzt engagieren, die sagen, ich war als Kind im Senckenberg Museum. Und das hat mich geprägt. Und insofern sind wir auch eine Institution, die zukünftige Generationen prägt, hinsichtlich der Neugierde, hinsichtlich der Faszination, hinsichtlich des potenziellen Engagements. Machen Sie uns doch mal kurz neugierig und erzählen Sie uns was über das Senckenberg Museum von morgen. Ich würde sagen, ich war sprachlos im ersten Moment zu erfahren, dass das Land und der Bund bereit sind, hier so viel Ressourcen auf den Tisch zu legen und zu sagen, wir unterstehen uns in Senckenberg hinsichtlich der Reise in das nächste Jahrhundert. Im Prinzip gibt es da auch einen fast einen hohen Grad an Demut auch dabei, weil wir in der jetzigen Situation sagen, wir wollen hier 300 Millionen investieren und meinen Museum für die Zukunft zu generieren. Wir haben zwei Ziele. Das eine ist, es muss ein Museum vom Weltformat werden, ein Leuchtturm, ein internationaler Leuchtturm und gleichzeitig muss es ein Museum bleiben zum Anfassen. Es muss ein Museum sein, wo die lokale Bevölkerung die Menschen hingehen und das ist kein Widerspruch, sowohl ein Museum vom Weltformat zu sein, als auch ein Museum zum Anfassen. Die zweite Motivation ist natürlich auch, dass die Museen der Zukunft eben keine Schaumuseen sind, sondern es sind Dialogorte und da kommen wir auf den Beginn des Gespräches zurück. Es sind Vertrauensorte, es sind Orte, wo wir eben Wissen präsentieren und der Dialog zu Herausforderungen einfach stattfindet, wo man ein großes Vertrauen hat. In beide Richtungen. Die Besucherinnen und Besucher haben das Vertrauen in das, was wir bringen. Wir haben das Vertrauen, dass die Besucherinnen und Besucher, die hier rausgehen und die sich hier engagieren, auch etwas bewirken können. Auch das ist und bewirken wollen auch. Ich glaube, dieses gegenseitige Vertrauen hierzu wecken und zu fördern, das ist ein Ziel, das wir erreichen wollen. Und das geht jetzt im Prinzip, bis er so eine Stadt baut, ihr Museum. Wir wollen auch die Menschen mitnehmen jetzt im Ausbau, in der Weiterentwicklung unseres Museums. Und das wird eine schöne Reise, die wir hier gemeinsam machen können in den nächsten zehn Jahren, aber wir können Visionen entwickeln, wir können noch vorne schauen, wir können sagen, wir wollen ein Museum auf Tomorrow, ein Museum für morgen entwickeln, das in dieser Form es noch nicht gibt. Das ist eine großartige Chance, die wir haben im Moment. Wie machen Sie die Forschungsergebnisse im Senckenberg -Museum für die Zivilgesellschaft sichtbar? Da sind wahrscheinlich ziemlich viele Leute beteiligt, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler selbst natürlich, die ihre Forschungsergebnisse übersetzen und zur Verfügung stellen, aber es sind wahrscheinlich noch sehr viel mehr Menschen daran beteiligt. Ganz neue Berufsbilder haben sich ja in den letzten Jahren auch ergeben und da gibt es ja auch ganz neue Möglichkeiten. Ich sage nur Virtual Reality, die Darstellung im 360 Grad Raum. Was für ein Zusammenspiel ist von Nöten, um das Zukunftsmuseum aufzustellen? Ich meine, einerseits sind es die 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Senckenberg. Das sind Wissenschaftlerinnen, das sind Museumspädagogen, das sind Datenwissenschaftler dabei. Wir können das nur in Zusammenarbeit mit dem Draußen machen, im Prinzip. Und das Draußen sind einerseits die vielen ehrenamtlichen, engagierten Leute, die mitarbeiten. Das sind mehrere Tausendtauch. Aber es sind auch dann Kooperationen mit Fraunhofer -Instituten, mit der Universität, mit technischen Universitäten, mehr und mehr auch mit Geisteswissenschaften, wo wir Philosophen, Religionswissenschaftlerinnen, mit denen wir zusammenarbeiten müssen. Und im Prinzip ist es eine Überbrücke von derzeitigen Grenzen, auch disziplinären Grenzen, die in der Wissenschaft zu manifestiert sind. Das müssen wir durchbrechen auch. Also diese disziplinäre Inge, aus der müssen wir rauskommen und aus der werden wir rauskommen, wenn wir wirklich einen großen Schritt nach vorne gehen wollen und ein Museum der Zukunft hier generieren. Und das ist natürlich so, dass wenn Senckenberg das Museum hier strahlt, dann strahlt natürlich auch das Land und dann strahlt auch die Landschaft hier im Prinzip, also auch die Forschungslandschaft. Also insofern haben wir da schon auch eine Pionier- oder Vorreiterrolle auch, die wir hier wahrnehmen können. Und da kommt auch wieder zurück, Mut tut gut und dadurch, dass im Land und Bund jetzt bereit sind, uns zu unterstützen, ist es auch in Vertrauen, dass wir eben nicht das Gleiche machen, was wir in den letzten 200 Jahren gemacht haben, sondern dass wir einen Aufbruch starten und etwas schaffen, dass es in dieser Form noch nicht gibt. Aber wir wissen es ja noch nicht genau, sondern wir sind ja auf einem Weg dorthin. Aber die Grundaufgabe, die ist ja, wir spielen eine zentrale Rolle hier als Scharnier zwischen der Wissenschaft und der Gesellschaft. Und diese Scharnierfunktion, die werden wir viel viel stärker wahrnehmen, auf verschiedensten Ebenen im Prinzip. Lassen wir uns ganz am Schluss noch einmal auf eines ihrer zentralen Themen zu sprechen kommen, die Gewässerforschung. Der Zugang zu Wasser ist ein riesiges Problem der Gegenwart. Welche Maßnahmen sind zur Lösung der Wasserknappheit in vielen Teilen der Welt zu ergreifen und welche Herausforderungen gehen damit zugleich einher? Wir haben genug Süßwasser auf unserer Erde. Es ist ungleich verteilt im Raum und in der Zeit. Und es wird ungleicher verteilt sein in Zukunft. Das heißt, wir gehen oder wir suchen in erster Linie noch groß technischen Lösungen, um mit dieser ungleichen Verteilung des Wassers umzugehen. Wir bauen Entsalzungsanlagen, wir bauen Staudämme, wir bauen riesige Umleitungskanäle und Wasser von sogar von einem Kontinent in den nächsten zu transportieren. Das ist die eine Seite, dass Wasser als Ressource als notwendige und überlebensnotwendige Ressource für uns Menschen betrachtet. Auf anderen Seiten haben wir die Gewässer, die Becher, die Flüsse, die Seen, die Dümpel, das Grundwasser. Und die Gewässer sind die artenreichsten, dynamisch und komplexesten Ökosysteme, die wir weltweit haben. Sie sind hinsichtlich ihrer Vielfalt ohne weiteres vergleichbar tropischen Regenwäldern oder Korallenriffen. Gleichzeitig gehören sie zu den am stärksten gefährdeten Systemen weltweit. Und das hängt natürlich damit zusammen, dass eben eine Art Konfliktsituation zwischen Wassers Ressource für uns Menschen und Gewässers wertvolle Ökosysteme entstanden ist und entsteht. Und was wir machen müssen ist, wir müssen hier dieses System als hybride Systeme managen, einerseits als wertvolle Ressource, überlebensnotwendige Ressource für uns Menschen, andererseits als absolut wertvolle Ökosysteme. Und das ist die Herausforderung. Wie kommen wir aus einer Konfliktsituation heraus und schaffen Synergien zwischen diesen beiden Rollen? Die Entwicklung der Menschheit ist sehr eng verbunden mit den Gewässern. Ganzen großen Kulturen, alle waren entlang von Gewässern. Die Menschen leben auch relativ nah in Gewässern. Auch also wir haben eine sehr enge Koppelung, kulturhistorisch mit Wasser. Durch technische Lösungen ist es vielleicht auch zu einer Entkopplung gekommen, auch zu einer Art emotionalen Entkopplung gekommen zwischen den Gewässern und uns Menschen. Vielleicht ein kleines Beispiel. Ich hatte ein Projekt des Sound of Revers schon in der Schweiz durchgeführt und da ging es darum, den ästhetischen und den ökologischen Wert von Gewässern und Hand des Klanges zu bestimmen. Und es war ganz klar, dass der Klang eines naturnahen Flusses als ästhetisch unglaublich wertvoll wahrgenommen wird. Die Idee ist mal übrigens gekommen in Amerika. Ich habe die New York Times gelesen und da war ein Artikel drinnen, dass die Immobilienpreise in der Westküste höher sind, wenn man Meeresrauschen hört. Und dann haben wir gedacht, es ist doch ein ganz zentraler Wert, den wir haben. Wir verlieren diesen Wert und dann war es wahnsinnig schwierig, Geld zu bekommen, um so ein Projekt finanziert zu bekommen. Jeder hat gesagt, es ist verrückt, die haben noch keine Erfahrung damit. Das war im Endeffekt eine Stiftung, die dieses Projekt finanziert hat. Und im Nachgang haben Sie mir erzählt, Sie haben dann entschieden, ein verrücktes Projekt wollen Sie pro Jahr finanzieren. Und wir sind Ihnen Genuss dieses verrückten Projektes bekommen. Das war im Endeffekt eines der faszinierendsten und erfolgreichsten Projekte, die Sie jemals finanziert haben. Das zeigt auch, wie wir Wissenschaft, wir sind hier auch zu wenig mutig, indem Sie neue Ideen einfach zu unterstützen. Das können wir als Institut machen, dass wir mutige Ideen unterstützen, den Menschen auch den Freiraum geben, die hier arbeiten und sagen, probieren Sie einfach, machen Sie etwas. Ich glaube, das ist schon auch eine Entwicklung, die auch in den Köpfen der Institutionen vorgehen muss. Wir sehen ja auch, dass Innovationen kommt von den Rändern und nicht nur von Kern. Das heißt, wir müssen auch Ränder zulassen oder sogar fördern. Und das ist etwas, da tun wir uns sehr, sehr schwer. Für die erste Frage ist, was haben Sie schon vorzuweisen auch? Und dann gibt es keinen Experten, der das bewerten kann, weil es ein neues Fach ist. Und das schränkt im Prinzip auch unsere eigene Dynamik ein. Wir sind privilegiert, dass Wissenschaftlerinnen als Institutionen wir eine Grundfinanzierung hier und mit dieser Grundfinanzierung, mit dieser Sicherheit und mit diesem Privileg wollen wir auch so umgehen, dass wir auch mutig, riskoreich, neue Wege beschreiben, auch wie Forschung gemacht wird in Zukunft. Sie haben am Anfang das Problem der Wasserverteilung global betrachtet. Lassen Sie uns mal in die Städte schauen. Stichwort Überhitzung und Versiegelung von Innenstädten. Wie sieht für Sie die idealtypische Innenstadt in 50 Jahren aus? grün und blau im Prinzip. Also man kann sowohl mit der Vegetation, also mit Bäumen als auch mit Wasser, kann man natürlich ein ganz anderes auch Klima, auch auch städtisches Klima schaffen. Wenn wir gesprochen haben von Prävention und von Heilung, das ist sicher die viel bessere Lösung, als wenn man Klimaanlagen in den Wohnungen baut. Also das ist sicher etwas, wo wir einen Mehrwert schaffen, nicht nur, dass wir einen größeren Mehrwert hinsichtlich unseres Wohl befinden haben, sondern wir schaffen auch einen ökologischen Mehrwert. Wir haben mit einem Projekt hier begonnen, das heißt Wildes Bockenheim und einfach ein bisschen Wildnis zu schaffen. Man kann das im kleinen Rahmen machen, man kann das im größeren Rahmen machen. Wenn Sie um Senckenberg herumschauen, dann haben Sie eine blühende Wiese hier herum mit ein bisschen faszinierende Unordnung, die drinnen ist, aber die ist einfach ästhetisch sehr wertvoll. Und ich glaube, man kann hier durch solche Beispiele, kann man hier ein bisschen Bewusstsein schaffen, dass man es in einem eigenen Garten ein bisschen Wildnis zulassen sollte auch. Und es ist Wilde Bockenheim, es kann ein Wildes Hohenheim, es kann ein Wildes München sein, es kann, man könnte im Prinzip das dann weiterspielen. Aber es stimuliert, es regt an, es gibt Alternativen zu einem kalgeschorenen Rasen, im Prinzip in einer Stadt oder gegen Beton. Man kann etwas schaffen und man kann sich daran erfreuen und es fördert auch unsere Umwelt in ganz, ganz positiver Form. Sie haben die Frage schon fast vorweggenommen, was können wir als Gartenbesitzerinnen, was können wir als Balkonbesitzer oder was können wir als Menschen, die auf dem Land leben, dazu beitragen, dass sich das Bewusstsein für Wasser verbessert oder ganz einfach gesprochen, was können wir in der Praxis tun, um Wasser zu sparen? Lassen Sie ein bisschen Unordnung, hohe Hecken Garten oder im Balkon zu, also lassen Sie etwas spriesen. Vielleicht auch jetzt ganz spontan betrachtet. Führen Sie einmal Buch und schreiben Sie auf, wieviel Wasser Sie für was verbrauchen auch. Ich glaube, dass das hilft, dass man einfach einmal abschätzen kann und in eine Relation bringt. Wieviel Wasser verwende ich, wenn ich meine Garten gieße, wenn ich hin um vier Nachmittag gieße oder wenn ich hin in aller Früh oder spät am Abend gieße. Wo ich viel effizienter sein kann, um das Wasser sozusagen dazu zu verwenden, damit das Grün erhalten bleibt. Aber nichts zu machen teilweise, also nicht Ordnung zu halten, das ist ja auch eine, wenn man Renaturierung zulässt von Gewässern. Das startende im Moment gerade die UN-Dekade der Naturrenaturierung. Eine der effizientesten Formen der Naturrenaturierung ist, keine Unterhaltungsmaßnahmen zum Beispiel an Flüssen zu machen, wo keine notwendig sind. Das ist die kostengünstigste Form. Totholz, das drinnen liegt, wenn es nicht notwendig ist, wenn sie keine Gefährdung für Infrastruktur der Menschen darstellt, einfach drinnen zu lassen. Und ich glaube, so kann man auch mit dem Garten umgehen, dass es eine Ecke gibt in den Garten, die blöd, die hoch hat. Das ist ein schönes Dickicht, das sie zulassen. Und irgendwann werden es auch die Nachbarn genießen können und werden sagen, das ist doll, was sie da haben. Das ist eine wunderbare Botschaft am Ende unseres Gesprächs. Ich danke Ihnen ganz herzlich für diese aufschlussreichen Worte, Herr Tockner. Schön, dass Sie da waren. Vielleicht erzählen Sie noch ganz kurz was über unseren Gast des nächsten Podcasts, der demnächst erscheinen wirkt, Frau Professor Dr. Kathrin Böhning-Gaese. Sehr gerne, ganz vielen Dank für die Einladung noch einmal und ich freue mich, dass Kathrin Böhning-Gaese den nächsten Podcast besprechen oder gestalten wird. Kathrin Böhning-Gaese ist Mitglied des Direktoriums in Senckenberg und ist zuständig für das Programm Wissenschaft und Gesellschaft. Sie engagiert sich neben ihrer großartigen Wissenschaft, die sie am Kilimanjaro in Ecuador und in vielen Teilen der Welt durchführt, ganz besonders eben um diese Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Die Verantwortung, die die Wissenschaft wahrnehmen muss, um eine Ausweg- oder Wirkung zu erzielen, in dem wie wir handeln, wie wir leben, welche Visionen wir erzeugen und das macht sie mit einem unglaublichen Engagement und mit einer sehr großen wissenschaftlichen Breite und